Renaturierung für mehr Lebensenergie
Zuerst die Politshow mit der europäischen Renaturierungsverordnung, dann das Hochwasser, besonders in Niederösterreich. Die Renaturierung fand ihre Rechtfertigung im Rückbau der Bach- und Flusskanäle für den Hochwasserschutz. Und als Strategie gegen den Klimawandel. Doch was bedeutet Renaturierung von Bächen und Flüssen? Mehr Fläche und eine begleitende Uferbepflanzung? Oder auch die Wiederherstellung der ursprünglichen Mäandrierung der Bäche und Flüsse? Darüber wurde nicht gesprochen. Was hat Renaturierung mit der Mäandrierung der Bach- und Flussläufe zu tun? … diese Frage stelle ich in diesem Blog.
Heute sind unsere Fließgewässer durch Hochwasserschutz, intensive landwirtschaftliche Nutzungen, Siedlungsbau und Wasserkraft enorm unter Druck geraten. Beinahe alle Bäche und Flüsse wurden begradigt und ein enges Korsett gezwungen. Als „zehnte Bundesland“ bezeichnet man in Österreich die dadurch gewonnene Fläche. Aber um welchen Preis?
In früheren Kulturen war die Wertschätzung des Wassers sehr groß. Heute leben wir in einer Gesellschaft, die jegliche Beziehung zum Wasser verloren hat: Wasser ist eine Selbstverständlichkeit geworden, Wissenschaft und Technik betrachten es nicht mehr ganzheitlich, sondern nur noch als H2O. Aber auch heute noch reden wir vom Lebenselixier – und sind dennoch überrascht, wenn Wasser zu tanzen beginnt, wenn es auf Schwingungen reagiert.
Unser Tun verändert Flüsse und Bäche
Der Mensch nutzt und verändert die Fließgewässer und Auen mit den unterschiedlichsten Zielen. Um diese vielfältigen Nutzungen zu ermöglichen sind erhebliche Eingriffe in die Flüsse und ihr Umfeld nötig. Sie können dabei zur Verarmung der ?Biotop?- und Artenvielfalt bis hin zur Zerstörung der sensiblen Ökosysteme führen. Aber auch zu mehr Sicherheit, besonders im Durchlauf der Orte und Städte.
Begradigungen
Von Eingriffen wird gesprochen, wenn Gewässerläufe begradigt, eingeengt oder durch Verbau in ein starres Korsett gezwungen werden. Was im Orts- und Stadtbereich wichtig ist, hat im freien Land gegenteilige Konsequenzen. Oftmals sind auch die Auen bis unmittelbar an das Ufer genutzt oder versiegelt. Die Bäche und Flüsse haben keine Verbindung mehr zu den Auen und gehen für die Hochwasserrückhaltung verloren.
Stromgeschwindigkeiten
Diese Eingriffe wirken auf die natürlichen Prozesse im Gewässerraum. Abflussgeschwindigkeiten erhöhen sich und der Wasserrückhalt der ?Auen? wird verringert. Die Gewässer tiefen sich ein und die Verzahnung zwischen Fluss und Au wird unterbrochen. Aus strukturreichen Naturräumen werden eintönige Gerinne. Der Eintrag von Düngemittel und Pestiziden belasten die Fließgewässer zusätzlich.
Gewässerrandflächen
Gewässerrandflächen sind unverzichtbar für lebendige Bäche und erfüllen vielfältige Aufgaben: Sie halten schädliche Einflüsse von außen ab, sind zugleich Lebensräume für eine große Vielfalt an Pflanzen und Tieren und leisten einen wichtigen Beitrag bei der Selbstreinigung der Gewässer. Hochstauden, Röhrichte und Gehölze bilden die Randstreifen naturnaher Gewässer.
Kühlfunktion der Natur
Daraus resultiert ein Überheizen grundwassergespeister Strecken und eine permanente Stresssituation der sie von Natur aus bewohnenden Arten.
Die natürliche Fließbewegung
Kein Bach der Erde sucht den kürzesten Weg zum Fluss oder dieser zum Meer. In der Natur laufen alle Fließgewässer in Kurven, in Mäandern. Die natürlich Fließbewegung des Wassers ist mäandrierend. Selbst auf einer glatten Fensterscheibe läuft Wasser nicht gerade nach unten, sondern beginnt zu mäandrieren. Es bildet sich eine pulsierende Raumkurve.
Mäandrierendes Gewässer
Unter Mäander versteht man ein mehr oder weniger bogenförmig geschwungenes Schlingen des Flussbettes. Es bildet einen Prozess der Erosion (Prallhang) und der Ablagerung (Gleithang), die dazu führen, dass sich das Flussbett ständig verändert.
PS: Maiandros ist in der griechischen Mythologie der Gott des Flusses Mäander, türkisch Menderes. Der große Mäander mündet bei Milet und der kleine Mäander bei Ephesos in das Ägäische Meer.
Wasserverwirbelung
Viktor Schauberger sagte: „In den Wirbeln kommt es zur Wasserabkühlung und das Wasser wird dichter, es wird darin automatisch die Gewässerqualität noch verbessert. Das heißt, die Wasserdichte steigt, die Oberflächenspannung steigt und das Potential des Gewässers wird deutlich angehoben.“
Lebensenergie für das Land
Das wirbelnde Wasser der mäandrierenden Bäche und Flüsse transportiert Lebensenergie für das Land. Wirbel bilden eine sehr große Oberfläche und können damit sehr viel Energie binden. In den Kurven ihres mäandrierenden Verlaufes wird diese Lebensenergie in das Land geschleudert. Dorthin, wo sie gebraucht wird, im Wald, auf Wiesen und Äckern.
Bild 1 Bild 2 Bild 3
Ganzheitliche Renaturierung
Ein Rückbau der Bäche und Flüsse kann nicht nur darin bestehen, die Ufer zu bepflanzen und Retentionsflächen anzulegen. Eine ganzheitliche Renaturierung muss auch die Wiederherstellung der Mäandrierungsmöglichkeiten der Bäche und Flüsse umfassen. Und das Wachsen von Randflächen und Auen. Das ist eine Herausforderung, weil es ein hoher Aufwand ist und Landverlust bedeutet.
Oder handelt es sich doch um Landgewinn? Ganzheitlichkeit heißt nicht nur Biodiversität, Landkühlung und Hochwasserschutz, sondern auch und vor allem Lebensenergieversorgung. Und dies ist ein Gewinn, für Leben und Lebendigkeit.
Eine Übung
Wenn Sie die Gelegenheit haben, setzen Sie sich eine Weile an einem begradigten Bachverlauf. Dann wechseln Sie den Ort und setzen sich an einem natürlich mäandrierenden Bachverlauf. Achten Sie jeweils auf die wirkenden Atmosphären und wie Ihr Körper darauf reagiert. Und dann vergleichen Sie.
Bildquellen: Bild 1: Nick Russill auf Unsplash – Bild 2: Wolfgang Strasser – Bild 3: J. Waller auf Wikipedia
Über den Autor:
DORFIMPULSE
Mag. Wolfgang Strasser
Lebensraum- und Unternehmensberater
A-4040 Linz, Leonfeldner Straße 94d
+43 (0)664 / 4053748
office@dorfimpulse.at
www.dorfimpulse.at